Donnerstag, 28. Juli 2011

Rocco und seine Brüder (1960)


Schweiß rinnt in seine Augen, so dass er kaum noch sehen kann. Er weicht dem Schlag seines Gegners aus, hebt die eigene Faust und trifft ihn im Gesicht. Jubelschreie ertönen aus dem Publikum und er weiß, da stehen sie, seine Brüder, und feuern ihn an. Sein Atem geht schnell und heftig, während er immer und immer wieder ausholt und seine Linke schwingt. Langsam tritt der Zuschauer einen Schritt zurück und bemerkt, dass er nicht in einer schwarz-weißen Halle steht, es nicht nach Schweiß und Rauch stinkt, sondern dass er auf einen Bildschirm schaut. Dort läuft der Kampf. Und obwohl er einen Boxkampf sieht, schaut er keinen Boxfilm, sondern ein Melodrama. Er schaut Rocco und seine Brüder.

1960 drehte Luchino Visconti diesen Film. In knapp 170 Minuten erzählt er die Geschichte einer italienischen Familie, die ausgezogen ist, um ihr Glück in der Stadt zu finden und in einer Welt voller Kontraste und Unterschiede landet.
Vincenzo ist der älteste der fünf Brüder und lebt in Mailand, er ist verlobt und gerade dabei mit seiner zukünftigen Familie eben diese Verlobung zu feiern, als es an der Tür klingelt. Seine Mutter steht dort, begleitet von seinen vier Brüdern Simone, Rocco, Ciro und Luca. Sie sind gekommen, um in seiner Obhut ein neues Leben in der Stadt zu beginnen und um der Armut des Südens zu entkommen. Die städtische Schwiegerfamilie gibt sich ganz und gar nicht einverstanden und es kommt zu einem Streit zwischen den Familien. Vincenzo erfüllt seine Pflicht, bringt Mutter und Brüder irgendwo unter und trifft sich weiterhin heimlich mit seiner Verlobten, die bald zu seiner Frau wird. Die dramatische Geschichte dreht sich aber nicht um dieses Paar, sondern um ein anderes. Simone lernt die Prostituierte und Kleinkriminelle Nadia kennen und verliebt sich haltlos in sie. Als sie ihn verlässt, bricht für ihn eine Welt zusammen. Erst Jahre später sieht er sie wieder, an der Seite seines Bruders Rocco, in dem sie die wahre Liebe gefunden haben will. An dieser Stelle beginnt das eigentliche Drama, Simone fühlt sich von Rocco verhöhnt, vergewaltigt Nadia und sorgt dafür, dass Rocco diese verlässt. Rocco trägt ihr auf, sich wieder Simone zuzuwenden und sich um ihn zu kümmern. Gegenteiliges passiert; sowohl Simone als auch Nadia gehen unter und es gipfelt in Nadias Tod. Verursacht von Simone.
Die andere große Rolle dieses Films spielt das Boxen. Es wird zum Verbindungsstück von Gewalt, Liebe, Reichtum und Armut. Es ist das Element, das alle Kontraste kleiner werden lässt und die zwei Seiten der Familie irgendwie vereint. Vincenzo ist der erste der Brüder, der mit dem boxen beginnt und es wieder aufgibt. Durch ihn folgen Simone und Rocco, die im Verlauf erfolgreichen Karrieren durchleben, doch nie richtig glücklich werden.
Bei diesem Film handelt es sich um eine Darstellung der Kontraste. Deswegen tut es ihm gut, dass zu dieser Zeit Farbfilme noch nicht wirklich in Mode geraten waren und schwarz-weiß ein weiterer Kontrast ist, der der Liste hinzugefügt werden kann. Die Kluft zwischen arm und reich, zwischen schön und hässlich, zwischen Leben und Tod und natürlich zwischen Liebe und Hass sind zentrale Themen, durch die der Film dramatisch wird. Er lebt davon, Moralvorstellungen abzugleichen, die übertriebene Kälte des Nordens mit der Hitze des Südens zu vergleichen oder die Kontraste zwischen den Brüdern zu verdeutlichen. Diese machen sich besonders durch die Einteilung in Kapiteln bemerkbar. Visconti widmet jedem der Brüder ihrem Alter nach ein Kapitel und stellt so nicht nur Unterschiede da, sondern auch eine politische und gesellschaftliche Geschichte. War zu Beginn noch die Flucht in die Stadt eine Hoffnung auf Besserung, schwindet diese im Laufe des Films und am Ende bleibt die Hoffnung in die Zukunft, dargestellt durch Luca.
Eine Stärke des Films sind seine Details. Visconti zeichnet nicht nur die Gefühle der Personen detailliert, sondern auch die Geschehnisse. Aber eben diese Details sind auch seine Schwäche. Sie überlassen wenig der Fantasie und ziehen den Film zusätzlich in die Länge. Eine Tatsache, die ihn zeitweise langweilig macht, obwohl sie Platz für Kunstgriffe seitens des Regisseurs schafft. Auch den Schauspielern hätte eine Kürzung nicht weh getan. Sie beweisen ihr Können sowieso vorwiegend in den wichtigen Szenen des Films. Vor allem Renato Salvatori als Simone und Annie Girardot haben besonders beeindruckt. Sie mussten nicht übermäßig schreien und sprechen, um ihre Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Ein Blick genügt, um dem Zuschauer klar zu machen, welcher Kampf in ihnen tobt.
Visconti hat mit diesem Film ein Werk geschaffen, das in die Geschichte der großen Melodramen eingegangen ist. Obwohl der Film stellenweise sehr lang geraten ist, vermittelt er ein intensives Gefühl, das noch lange nachhallt. Und genau das sollte ein Melodrama können, beeindrucken. Und das tun beide; Visconti und sein Film.  
Trotz der Tatsache, dass es sich bei diesem Film um einen hoch gelobten Klassiker handelt, war ich persönlich stellenweise echt gelangweilt und mir ging dieses ganze übertriebene HickHack auf den Zeiger. Deswegen gibt es nur 6 von 10 möglichen *Sternen*! 
Ich möchte übrigens noch sagen, dass ich diesen Film für die Uni sehen und bewerten durfte...nur, falls ihr euch über den unüblichen Schreibstil und die Filmauswahl wundern solltet..^^


2 Kommentare:

lig hat gesagt…

"Ist man gänzlich unvorbereitet auf den extravaganten Regisseur und sichtet Viscontis Werk nicht etwa vor dem Hintergrund von Brechts epischer Theatertheorie oder als eine der Oper nachempfundenen Darstellung, so läuft man die Gefahr, den Eindruck zu gewinnen, gerade in den Genuss des 170-minütigen, kunstvollen Vorläufers gängiger Seifenopern gekommen zu sein." - mein letzer Satz ;)
Also ich find deine Kritik gut, insbesondere der fokus auf die kontrastierende darstellung; meine ist viel chaotischer geworden und ich laber dauernd son mist über schuldfragen, weil ich das irgendwo gelesen hab..wird sicher lustig am freitag, freu mich jetzt schon;)

Kathy hat gesagt…

haha..naja..da hast du aber einen satz zustande gebracht, der sehr intelligent klingt! ^^ ja..ich hatte auch so viel gelesen, aber irgendwie wollte ich nix abschreiben..ich fand die aufgabe ohnehin einfach unglaublich sinnlos. ich glaub auch, freitag wirds sehr lustig! ^^